Präventive Hausbesuche - Gesundheitsberatung für Seniorinnen und Senioren

Das Projekt „Präventive Hausbesuche“ unterstützt mit vorsorgender Beratung Menschen dabei, bis ins hohe Alter selbstständig zu bleiben. Grundsätzlich zielen präventive Hausbesuche darauf ab, Pflegebedürftigkeit vorzubeugen. Ebenso können sie ältere Menschen auf eine mögliche Hilfe- oder Pflegebedürftigkeit vorbereiten, indem sie bereits im Vorfeld Entlastungsmöglichkeiten thematisieren. Durchgeführt werden die kostenlosen Beratungen zumeist bei den Menschen zu Hause von geschulten Pflegefachkräften. Der Beratungsprozess besteht in der Regel aus mindestens drei Hausbesuchen über einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten.

Die Interviewfragen stellten wir Frau Kutzner (Exam. Krankenschwester und Dipl. Sozialarbeitern) und Frau Ehling (Exam. Krankenschwester, Dipl. Berufspädagogin und Pflegewissenschaftlerin (MScN))

Direkt springen zu:Direktsprung

1. Sie beschreiben in Ihrer Angebotsdarstellung der „Präventiven Hausbesuche“, dass Sie versuchen, die individuellen Bedürfnisse der Menschen wahrzunehmen und dementsprechend die Beratung auszuführen. Wie sieht das in der Praxis konkret aus?

Vom Prinzip her läuft es folgendermaßen ab: man macht einen Besuch, schaut erstmal, wie lebt der ältere Mensch, was gibt es in der Wohnung, gibt es z. B. Stolperfallen, welches sind die Themen und Notwendigkeiten, die im individuellen Fall wichtig sind? Der Medikamentenkonsum fällt beispielsweise auch darunter. Hier wird in Absprache mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt geschaut, welche Medikamente eingenommen werden. Auch das Thema Sicherheit und Mobilität thematisieren wir, ob z. B. Stürze stattgefunden haben. Einige brauchen Unterstützung beim Saubermachen. Wir haben regional Hilfenetze, die zum Teil hier ökumenisch aufgebaut sind, die wir dann auch vermitteln. Aufgrund unserer guten Vernetzung mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren können wir gut an örtliche vorhandene Angebote vermitteln bzw. verweisen. Dies können auch Kontakte zu einer Kirchengemeinde oder zu Pflegediensten sein. Es kommt auch vor, dass wir in Haushalte kommen, wo bereits eine Pflegestufe vorliegt, wo sich die Angehörigen an uns gewandt haben und Informationen zu Hilfsangeboten benötigen.

Insgesamt führen wir mindestens zwei bzw. drei Besuche durch. Beim Erstbesuch beleuchtet man insbesondere die aktuelle Situation und gibt schon erste Empfehlungen, welche man dann in den Folgebesuchen weiter thematisiert. Auch nach dem letzten Besuch stehen wir natürlich weiter zur Verfügung. Bei allen Besuchen liegt uns die Selbstbestimmung der Klienten sehr am Herzen. Nach ein paar Monaten schreiben wir die Menschen an und fragen, was die Beratung gebracht hat, was sich verändert hat und ob es weiteren Beratungsbedarf gibt. Das ist das klassische Vorgehen.

2. Wie gelingt es, mit präventiven Hausbesuchen die Menschen zu erreichen? Können Sie von Ihren Erfahrungen berichten, welche Zugangshürden oder Hemmschwellen Sie vor Ort wahrnehmen?

Die Erreichbarkeit und Akquise ist das A und O und zugleich die größte Herausforderung in unserer Arbeit. Ein gut funktionierender Zugangsweg führt über Ärztinnen und Ärzte. Das läuft so ab, dass die Ärztinnen und Ärzte auf uns aufmerksam machen und beispielsweise Flyer weiterreichen. Dann wenden sich die Menschen direkt an uns, jedoch nicht immer. Es gibt gewisse Hemmschwellen. Nicht alle Menschen sehen präventive oder gesundheitsförderliche Maßnahmen als notwendig an. Warum soll ich mich zum Thema Gesundheit beraten lassen und dann auch noch vorbeugen? Da ist eine gewisse Überzeugungskraft notwendig, und auch dies kann mittels der Hausärztin oder des Hausarztes gelingen, der einen Zugang zu seinen Patientinnen und Patienten hat und dann vermitteln kann. Um mehrere Zugangswege zu nutzen, hatten wir die Idee therapeutische Fachkräfte als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, wie beispielsweise Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten oder Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten zu nutzen. Sie behandeln Patientinnen und Patienten meist so um die 40 Minuten und stellen häufig währenddessen weitere Einschränkungen fest, die in diesem Rahmen angesprochen werden können und als Anlass zur Weitervermittlung genutzt werden können.

Des Weiteren sind wir verstärkt auch bei Seniorentreffen und halten Vorträge. Aber da sitzen meist die 80-Jährigen, die noch so fit sind, dass sie zumeist die Notwendigkeit eines präventiven Hausbesuchs nicht sehen, vielleicht für jemand anderes, aber nicht unbedingt für sich. Das Publikum ist oftmals eher an Themen wie Patientenverfügung interessiert, weniger an den Themen Gesundheit, Ernährung oder Sturzprävention. Die Akquise ist sehr schwierig, das haben wir wirklich anfangs unterschätzt. Wir versuchen ja die Seniorinnen und Senioren zu erreichen, wenn noch keine Pflegebedürftigkeit besteht. Die für das Thema Prävention zu gewinnen wäre sehr wichtig. Und wenn man überlegt, dass wir besonders benachteiligte Menschen erreichen wollen, die alleine in der Wohnung sitzen und merken, dass es ihnen nicht mehr gut geht, ist die Herausforderung für die Akquise umso größer.

3. Sie sagten, dass bei den älteren Menschen, die noch nicht pflegebedürftig sind, ein höheres Interesse an präventiven Maßnahmen wünschenswert wäre. Welche Faktoren führen denn zu einer höheren Akzeptanz?

Oft ist es so, dass es erst einen Anlass geben muss, um an die Menschen ranzukommen. Das kann zum Beispiel eine Notsituation sein. Interesse wecken können wir auch, indem wir bestimmte brisante Themen wie zum Beispiel die Patientenverfügung anschneiden. Das kann eine Einstiegsmöglichkeit sein.

Was auch zu einer erhöhten Akzeptanz bzw. verbesserten Erreichbarkeit beiträgt, ist die Kooperation mit anderen Projekten: Dies tun wir intern bei der Caritas beispielsweise mit einem Projekt, welches in verschiedenen kirchlichen Gemeinden stattfindet, bei dem viele Ehrenamtliche das Projekt unterstützen. Das Projekt überschneidet sich zum Teil mit den Orten, an denen auch unsere präventiven Hausbesuche angeboten werden. Und da hatten wir die Idee, mit Hilfe der Ehrenamtlichen an teilnehmenden Seniorinnen und Senioren herantreten zu können. Vielleicht haben sie in der Kirche nebeneinander gesessen und haben dadurch die Möglichkeit, mit den Seniorinnen und Senioren in Kontakt zu treten, die wir sonst nicht erreichen.

Eine wichtige Rolle können auch Familienangehörige spielen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wenn der Kontakt über die Kinder hergestellt wird, der präventive Aspekt in den Vordergrund gestellt wird. Ein Fall war beispielsweise: da hat der Sohn uns angerufen, weil er gesehen hat, dass die Eltern nicht mehr so gut aus dem Bett aufstehen konnten. Da hat er überlegt, was man da machen kann, ob es Möglichkeiten gibt, mit denen das vereinfacht wird, ohne direkt ein Pflegebett hinzustellen. Auch für eine ebenerdige Duschwanne hat er nach finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten gesucht. Thematisiert wird von den Kindern also häufig eine präventive häusliche Umgestaltung, bevor es zu Stürzen o. ä. kommt.

In skandinavischen Ländern gibt es übrigens eine gesetzliche Verankerung für präventive Hausbesuche, so dass diese dadurch geläufiger sind. Wir haben das Gefühl, dass viele Seniorinnen und Senioren es noch als befremdlich empfinden, wenn eine Gesundheitsberatung durchgeführt wird. Wenn die Idee weiter verbreitet wäre, dann würden auch Widerstände, Ängste oder Vorbehalte abgebaut werden können. Ich glaube, die Menschen denken noch sehr defizitorientiert. Der präventive Gedanke ist ja eher neumodisch und erst in den letzten 15 Jahren populär geworden. Für unsere Generation ist eine präventive Vorgehensweise eher normal. Aber bei unserer Zielgruppe ist dieser Gedanke nicht so zentral wie bei den nachkommenden Generationen. Hier herrscht also auch ein Generationsunterschied.

Bei weiteren Fragen zum Angebot

Alexandra Ladach
Caritasverband Frankfurt e.V.
Präventive Hausbesuche
Alte Mainzer Gasse 10
60311 Frankfurt am Main
Tel.: 069-2982-1404
Mail: 
Web: www.caritas-frankfurt.de/ich-suche-hilfe/menschen-staerken/senioren-und-pflege/gesundheitsberatung/

Zum Eintrag in der Projektdatenbank

Gesundheitliche Chancengleichheit

Der Kooperationsverbund wurde 2003 von der BZgA initiiert. Sein zentrales Ziel ist die Stärkung und Verbreitung guter Praxis in Projekten und Maßnahmen der Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten.

Zur Webseite