Ob Förderung der digitalen Kompetenz oder gemeinsame Bewegung, das Projekt BEWEGTplus bringt ältere Menschen ab 50 Jahren zusammen. Partizipativ und vernetzt sollen gesund­heitliche Chancen­gleichheit älterer Bewohner*innen sowie ihre Teilhabe­möglichkeiten im Stadtteil Hassel in Gelsen­kirchen verbessert werden. Dabei stehen im Besonderen auch jene im Fokus, deren Ressourcen und Möglich­keiten eher knapp bemessen sind.

2022 gab Nina Witzel, ehemalige Projektkoordinatorin von BEWEGTplus im Generationennetz Gelsenkirchen e. V., Einblicke in die Ziele und das Vorhaben, auch unter Bedingungen der Coronapandemie. Im Juli 2023 fand ergänzend ein weiteres Gespräch mit Imke Springer und Lisa Heite vom Generationsnetz Gelsenkirchen e. V. statt. Im nachfolgenden Text wurden die Antworten zusammengefasst.

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1. Was ist BEWEGTplus und wie kam es zur Idee?

Das Projekt BEWEGTplus (Gesund älter werden – Partizipative Gestaltung eines bewegungsfreundlichen Quartiers und bewegungsfördernder Angebote) ist im Juli 2021 im Stadtteil Hassel der Stadt Gelsenkirchen gestartet. Träger ist das Generationennetz Gelsenkirchen e. V. Das Projekt möchte Bewegungs- und Begegnungsorte für Menschen ab 50 Jahre etablieren.

BEWEGTplus bedient das Themenfeld der Bewegungs- und Gesundheitsförderung, das bislang nicht zu den zentralen Schwer­punkten des Generationennetzes Gelsenkirchen e. V. gehörte. Zwar gab es schon in einigen Stadtteilen niederschwellige und partizipationsorientierte Spaziergangsgruppen, die zum gemeinsamen Bewegen und zum sozialen Miteinander einladen, jedoch ohne in eine Gesamt­strategie der (sozialraumorientierten) Gesundheitsförderung eingebunden zu sein.

Das Projekt BEWEGTplus schließt diese Lücke und ist im Setting Kommune/Quartier angesiedelt. Es nimmt die Zielgruppe der Älteren in den Blick, hier im Besonderen benachteiligte Ältere. Übergeordnetes Ziel des Projekt­vorhabens ist es, partizipativ und in enger Zusammen­arbeit mit relevanten Stakeholdern fünf zentrale Ziele umzusetzen. Das Besondere ist, dass das Projekt innerhalb der Gebietskulisse eines inter­kommunalen integrierten Handlungs­konzepts agiert. Das bedeutet, dass zwei verschiedene Kommunen bauliche Maßnahmen und sozial-integrative Projekte gemeinsam erarbeiten und fördern. Dies ist eine seltene und spannende Situation, da dadurch nicht nur der Fokus auf die eigene Kommune gerichtet ist, sondern der Blick über den Tellerrand möglich wird. Die Zusammen­arbeit ermöglicht eine umfassendere Perspektive und kann zu innovativen Lösungen und positiven sozialen Integrations­effekten führen.

2. Was sind die Projektziele von BEWEGTplus?

Verbesserung der Walkability im Stadtteil (Hassel)
Die Walkability eines Stadtteils bezieht sich auf seine Bewegungsfreundlichkeit und seine Rolle als Ressource für die Gesundheitsförderung. Im Rahmen des Projektes bedeutet dies, die Gegebenheiten des Stadtteils für Bewegungsförderung im Alltag zu nutzen und ggf. entspre­chend anzupassen und sowohl bei der baulichen Gestaltung als auch bei Angeboten auf die Bedürfnisse der Zielgruppe einzugehen. Wissens­lücken sollen schrittweise und partizipativ geschlossen werden, eine Bewegung hin zu einem bewegten Stadtteil entstehen.

Auf- und Ausbau gesundheitsförderlicher Strukturen im Stadtteil
Angestrebt wird eine gezielte Vernetzung mit den hierfür relevanten Akteur*innen für den Bereich der Gesundheits– und Bewe­gungs­­för­derung Älterer, aus der Kooperationen und konkrete Verabredungen resultieren.

Förderung gesellschaftlicher Teilhabe
Gesellschaftliche Teilhabe schließt beide Ebenen ein: die strukturelle und die individuelle Ebene. Spezifische Voraussetzungen und Bedürf­nisse benachteiligter Älterer werden ermittelt. Mit ihnen gemeinsam werden Teilhabe­möglichkeiten und Beteili­gungs­strukturen dahingehend angepasst bzw. geschaffen und Möglichkeitsräume eröffnet (niedrigschwellige Orte, Zugänge, etc.). 

Stärkung der Gesundheitskompetenz und gesteigerte Alltagsaktivität
Gesundheitskompetenz im Projektzusammenhang meint, benachteiligte Ältere wissen mehr über den Zusammenhang von Gesundheit und Bewegung, haben ihre „Findekompetenz“ für Angebote und Aktivitäten im Stadtteil sowie auch digital verbessert und wissen, wo und wie sie passende Bewegungsmöglichkeiten nutzen oder an wen sie sich wenden können. Treffpunkte und Begegnungsorte für Bewegung sorgen dafür, dass sich mehr ältere Menschen gegenseitig unterstützen und zu gemeinsamen Alltags­aktivität ermutigen.

Übertragung auf andere Stadtteile
Der Transfer wird frühzeitig mitgedacht, so dass der Prozess auch in weiteren Stadtteilen angestoßen werden kann. Erprobtes und Bewähr­tes wird dahingehend geprüft und diskutiert, ob es eher stadtteilspezifischen Charakter hat oder auch andernorts Erfolg verspricht. Beispiels­weise ist mit der Zielgruppe gemeinsam der Frage nachzugehen, welche Angebote und Elemente eher spezifisch hinsichtlich des Alters angelegt oder sich eher an anderen Merkmalen der Zielgruppe orientieren sollten.  

3. Welche konkreten Angebote und Veränderungen konnten bereits umgesetzt oder angestoßen werden?

Umgesetzt wurde z.B. eine Tablet-Aktion, in die auch Bewegungsangebote in Zusammenarbeit mit Gelsensport e.V. (Stadtsportbund Gelsen­kirchen) integriert waren. Die Aktion fand von Februar bis Juni 2023 statt und bot Interessierten die Möglichkeit, die Nutzung eines Tablets zu erlernen und dabei gleichzeitig etwas für ihre Gesundheit zu tun. Teilnehmende erhielten ein Tablet für einen Zeitraum von 3 Monaten und wurden durch einen Kurs begleitet. Der Schwerpunkt lag auf der Förderung digitaler Gesundheits­kompetenz. Die Teilneh­men­den lernten Gesund­heits­anwen­dungen kennen und wie sie Gesundheits­informationen im Internet finden und bewerten können. Zudem wurden digitale Bewegungseinheiten angeleitet, um die körperliche Gesundheit zu fördern. Dieses Konzept soll in anderen Stadtteilen wieder­holt werden. Im März 2023 fand ein Mobilitätstag statt bei dem Kooperationspartner, wie Verkehrsbetriebe und Sanitätshäuser, verschiedene Angebote bereitstellten, wie ein Rollatortraining, einen Alltagsfitnesstest oder einen Infostand.

Ebenso wurden Outdoor-Bewegungsangebote mit zwei ausgebildeten Trainer*innen etabliert sowie Ernährungs- und Kochkurse, begleitet von Ernährungsberaterinnen. Yoga-Kurse wurden durchgeführt, für deren Fortsetzung ab Herbst 2023 jedoch noch nach einer neuen qualifi­zierten Kursleiterin gesucht wird. Aufgrund der Schwierigkeit, ausgebildete und zertifizierte Übungsleiter*innen im Sportbereich zu finden, wurden auch zwei eigene Trainer*innen ausgebildet. Des Weiteren ist ein Bewegungspfad im Stadtteil seit Sommer 2023 in Umset­zung, der zu gezielten Bewegungsübungen anleitet inklusive Unterstützung durch QR-Codes oder Tafeln. Letztere befinden sich noch in der Planungs­phase.

4. Gibt es Erkenntnisse aus der Corona-Pandemie und was bedeuten diese für die Zukunftsplanung des Projektes?

Aufgrund der Corona-Pandemie war eine Strategieanpassung notwendig: Insgesamt konzentrierten sich die Maßnahmen zur Gesundheits- und Bewegungsförderung stärker auf den öffentlichen Raum und Outdoor-Angebote. Bewusst wurden, neben den klassischen Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit, zur Erreichung der Zielgruppe aufsuchende Maßnahmen und Aktionen vor Ort gewählt. Grund dafür waren anhaltender Einschränkungen durch die Pandemie. Großveranstaltungen konnten kaum realisiert werden und sind auch im Jahr 2023 noch weit weniger besucht als in Vorpandemiezeiten.

Die Ernährungs- und Yoga-Kurse sowie die Tablet-Aktion wurden von der Bevölkerung sehr gut angenommen. Aus diesem Grund wird nun vermehrt auf kleinere, themenspezifische Veranstaltungen gesetzt, um die Teilnahmebereitschaft zu erhöhen. Diese Erfahrungen teilen auch die unter­schied­lichsten Netzwerkpartner*innen in Gelsenkirchen und darüber hinaus. Die ange­sprochene Ziel­gruppe ist zum Teil schlecht digital erreichbar. Daher ist es umso wichtiger, so weit wie möglich im Stadtteil Präsenz zu zeigen und den Einstieg in digitale Ange­bote zu ermöglichen. Mit der Eröffnung des digitalen Lernorts Hassel ist ein erster Schritt in diese Richtung gemacht.

Ein grundsätzliches „Learning“ aus den letzten Jahren: Die Anmeldezahlen für Veranstaltungen sind oft nicht verlässlich und offene Angebote ohne Anmeldung zielführender, daher sind in der Projektkoordination Unsicherheiten auszuhalten und neue Dinge auszuprobieren. Insgesamt braucht es eine persönliche Ansprache und eine Atmosphäre der unverbindlichen Annäherung und des „Reinschnupperns“. Eine regel­mäßige Teilnahme oder Übernahme von Verantwortung erfolgt häufig erst dann, wenn Zeit zum Erproben da war und erste Kontakte geknüpft sind.  

Ein weitere „Lessons Learned“ ist, dass die Beteiligung der Zielgruppe mit einem aufsuchenden Charakter sehr effektiv ist. Dies ist gerade in Bezug auf die Gruppe der vulnerablen und benachteiligten Älteren (Ältere mit Mobilitätseinschränkungen, einsamkeits­gefährdete ältere Menschen, Ältere mit niedrigem sozioökonomischem Status, Ältere mit Migrationshintergrund) keine neue Erkenntnis. Unter Pandemie­bedin­gungen bestätigte sich diese Erkenntnis einmal mehr.

Bei weiteren Fragen zum Angebot

Imke Springer
Generationennetz Gelsenkirchen e.V.- Infocenter Mitte
c/o Stadt Gelsenkirchen
Vattmannstr. 2-8, 45879 Gelsenkirchen
Telefon: 0209 1692446
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Zum Eintrag in der Projektdatenbank

Zum Artikel auf www.gesundheitliche-chancengleichheit.de

Gesundheitliche Chancengleichheit

Der Kooperationsverbund wurde 2003 von der BZgA initiiert. Sein zentrales Ziel ist die Stärkung und Verbreitung guter Praxis in Projekten und Maßnahmen der Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten.

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