Bewegungsförderung – Erkenntnisse aus Modellregionen

Eine der wichtigsten Faktoren für ein aktives, selbstbestimmtes und mobiles Leben im Alter ist Bewegung. Damit ist Bewegungsförderung potenziell eine der vielversprechendsten Strategien zur Gesundheitsförderung älterer Menschen. Das zentrale Lebensumfeld für ältere Menschen, die zu Hause leben, ist die Kommune. Entsprechend wurden von 2019 bis 2021 in einem partizipativen Ansatz gemeinsam mit Modellregionen Implementierungsstrategien und Unterstützungsangebote entwickelt und erprobt, um bewegungsfördernde Strukturen aufzubauen. Dafür stellte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) u. a. eine standardisierte Vorgehensweise, verschiedene Instrumente zur Bestands- und Bedarfsanalyse in den Kommunen sowie Good Practice-Beispiele zu verhaltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen zur Verfügung. Die BZgA hat diesen Prozess begleitet und evaluiert.

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Arbeitshilfen „Gute Praxis konkret“

Die Arbeitshilfen bieten Praxiserfahrungen und Beispiele, um zu zeigen, wie Gesundheitsförderung für ältere Menschen gelingen kann.

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Modellregionen und Umsetzungspartner

Der Auf- und Ausbau bewegungsfördernder Strukturen erfolgte mit Kooperationspartnerinnen und -partnern aus drei verschiedenen Modellregionen in verschiedenen kommunalen Settings. Zu diesen Settings gehörten der ländliche Raum, eine Kleinstadt, eine Mittelstadt sowie ein Quartier in einer Großstadt. Da der Ansatz in sozial deprivierten Kommunen besonders starke Wirkung zeigen kann, wurden insgesamt fünf strukturschwache Kommunen ausgewählt:

  • In Thüringen wurde das Vorhaben unter dem Titel „Bewegung und Begegnung im Quartier“ als Kooperationsprojekt zwischen dem Thüringer Volkshochschulverband (TVV), den Volkshochschulen (VHS) vor Ort, dem Landessportbund Thüringen e. V. (LSB) und der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Thüringen e. V. (AGETHUR) umgesetzt. Als Interventionskommunen wurden die Kleinstadt Artern im Kyffhäuserkreis und die Kreisstadt Apolda im Landkreis Weimarer Land ausgewählt.
  • In Sachsen-Anhalt führte die Landesvereinigung für Gesundheit Sachsen-Anhalt e. V. (LVG-LSA) das Vorhaben unter dem Titel „Bewegungsraum“ in den Landkreisen Mansfeld-Südharz und Börde durch.
  • In Hessen setzten die Hessische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V. (HAGE) und die Stadtverwaltung Offenbach am Main das Vorhaben in der kreisfreien Stadt Offenbach am Main unter dem Titel „Quartier in einer Großstadt“ um.

Bewegungsförderliche Strukturen aufbauen

Um verhaltens- und verhältnisbezogene Maßnahmen zur Bewegungsförderung bedarfsgerecht für ältere Menschen zu planen und umzusetzen, orientierten sich die Modellregionen während des Projektzeitraums an einem idealtypischen Vorgehen, das von der Weltgesundheitsorganisation zum Aufbau einer bewegungs- und gesundheitsförderlichen Lebenswelt entwickelt wurde. Dieser Prozess unterteilt sich in verschiedene Schritte. Bei der konkreten Ausgestaltung haben die Modellregionen verschiedene Instrumente genutzt und Maßnahmen umgesetzt, je nach Gegebenheiten vor Ort:

  • Sensibilisierung relevanter Akteurinnen und Akteure in der Kommune, z. B. durch persönliche Ansprache, Informationsveranstaltungen
  • Etablierung einer Steuerungsgruppe, z. B. Einrichten eines Steuerungsgremiums, Einsatz von verantwortlichen Personen (Kümmerin/Kümmerer), Stakeholder-Analyse
  • Leitbildentwicklung, z. B. Erarbeitung einer gemeinsamen Vision einer bewegungsfreundlichen Kommune
  • Bestands- und Bedarfsanalyse, z. B. durch Fokusgruppen, ethnografisches Beobachten mit direkter Kurzbefragung, World Café
  • Handlungsziel- und Strategieentwicklung, z. B. Erarbeitung konkreter Maßnahmen im Rahmen der Steuerungsgruppe unter Beteiligung der Zielgruppe älterer Menschen
  • Prüfung des Finanzierungskonzeptes, z. B. Identifizierung möglicher Sponsorinnen und Sponsoren in der Steuerungsgruppe
  • Umsetzung von möglichst evidenzbasierten Maßnahmen, z. B. Erschließung von Räumen für Bewegungsangebote, Entwicklung von Bewegungspatenschaften, Etablierung von Spaziergangsgruppen, Bau von Sitz- und Rastgelegenheiten
  • Evaluation und Streuung der Ergebnisse, z. B. durch Befragungen der älteren Bevölkerung, Interviews mit lokalen Akteurinnen/Akteuren; Veröffentlichung von Ergebnissen in Amtsblättern, Präsentation der Ergebnisse auf Gesundheitstagen

Impulsgeber Bewegungsförderung

Der Impulsgeber Bewegungsförderung unterstützt Kommunen dabei, nachhaltige Strukturen zu entwickeln, damit sich ältere Bürgerinnen und Bürger mehr bewegen. Das Onlineangebot ist durch die Zusammenarbeit mit den Modellregionen entstanden und bietet eine schrittweise Begleitung. Für jede Prozessphase werden hilfreiche Informationen, praktische Instrumente und Handlungsempfehlungen zur Verfügung gestellt. In einer Projektdatenbank können Praxisbeispiele recherchiert werden, um so von den Erfahrungen anderer Kommunen zu lernen.

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Erfolgsfaktoren und Hindernisse auf dem Weg zur bewegungsfreundlichen Kommune

Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Projektevaluation durch die BZgA, dass die Modellregionen den Prozess zum Aufbau bewegungsförderlicher Strukturen erfolgreich nutzen konnten. Gleichzeitig konnten sie ihr Vorgehen flexibel anpassen, insbesondere an regionale oder lokale Strukturen und Besonderheiten. So unterschiedlich das konkrete Vorgehen der Modellregionen war, haben sich doch allgemeingültige Erfolgsfaktoren und Hindernisse gezeigt.

Förderliche Faktoren

  • Motiviertes/engagiertes Personal: Es braucht eine Vielzahl an Akteurinnen und Akteuren unterschiedlicher Institutionen, um kommunale Bewegungsförderungsprogramme für ältere Menschen umzusetzen. Je engagierter die hauptamtlichen und ehrenamtlichen Personen sind, desto nachhaltiger gelingt dies.
  • Verantwortliche Koordination der Beteiligten: Es kann hilfreich sein, wenn z. B. in der Funktion einer Regionalkoordination, eine Person die Verantwortung für das Zusammenwirken der Maßnahmen und der Akteurinnen und Akteure sowie den Kontakt in die kommunale Politik und Verwaltung übernimmt.
  • Kenntnisse der Strukturen vor Ort: Eine lokale Verbundenheit und Vernetzung der Akteurinnen und Akteure sind für das Vorhaben ebenso nützlich wie eine gute Kenntnis der kommunalen Strukturen. Dies zeigt die große Bedeutung einer gut überlegten Auswahl der Beteiligten für den Projekterfolg.
  • Zusammenarbeit mit der lokalen Verwaltung/Politik: Die Kooperation mit der kommunalen Verwaltung ist besonders wichtig. Beispielsweise lassen sich Anknüpfungspunkte an vorhandene seniorenpolitische, personelle und konzeptionelle Strukturen nutzen.
  • Zusammenarbeit mit lokalen Einrichtungen / bereits bestehenden Angeboten: Um Bewegungsangebote zu verstetigen, kann die Kooperation mit lokalen Einrichtungen (z. B. Seniorentreffs) und (Sport-)Vereinen (z. B. zur Nutzung von Räumen, zur Etablierung von Folgeprojekten) hilfreich sein.
  • Kontinuierlicher Austausch: Der Austausch zwischen den Akteurinnen und Akteuren, z. B. in Form der Steuerungsgruppen, ermöglicht eine permanente Beobachtung der Fortschritte sowie einen Austausch von unterschiedlichen Perspektiven und Lösungsansätzen bei möglichen Herausforderungen.
  • Partizipation der Zielgruppe: Die frühzeitige Einbeziehung älterer Menschen in die Planung (z. B. über die Steuerungsgruppe) und Bedürfnisabfrage (z. B. über Umfragen) hilft, zielgerichtete Angebote umzusetzen, die nachhaltig angenommen werden.
  • Kombination von Maßnahmen: Damit sich ältere Menschen im Alltag mehr bewegen, ist eine Kombination von verhaltenspräventiven (z. B. Sportangebote) und verhältnispräventiven Maßnahmen (z. B. gut ausgebaute Gehwege) besonders effektiv.

Hinderliche Faktoren

  • Schwierige finanzielle Ausgangslage der Kommunen: Da Bewegungsförderung älterer Menschen eine freiwillige kommunale Leistung ist, gehen andere Ressorts, denen Pflichtaufgaben zugeordnet sind, häufig vor. Dies führt zu einem Investitionsstau in diesem Bereich. Zusätzlich erschweren knappe finanziellen Möglichkeiten der Kommunen, langfristige Vorhaben, weil unsicher ist, ob auch zukünftig der Unterhalt finanziert werden kann.
  • Personalmangel: Fehlende qualifizierte Arbeitskräfte (z. B. Übungsleiterinnen/Übungsleiter, Verwaltungsangestellte) oder auch Personalwechsel können die Umsetzung eines Vorhabens verzögern oder beeinträchtigen. Auch der Mangel an ehrenamtlich Tätigen stellt eine große Herausforderung dar.
  • Heterogenität der Zielgruppe: Das Bedürfnis älterer Menschen nach Bewegung und Begegnung ist unterschiedlich ausgeprägt. Ein Angebot für alle ist nicht immer sinnvoll, weil es einige eher inaktive Menschen überfordert und dafür andere langweilt.
  • Erreichbarkeit der Zielgruppe: Oftmals werden jene Personen, die bereits aktiv und gut vernetzt sind und sich zum Thema Bewegung informieren, besser erreicht. Bei Personen, die beispielsweise eher isoliert leben, sozial benachteiligt sind oder Deutsch nicht als Muttersprache haben, kann es schwieriger sein, sie mit Bewegungsangeboten zu erreichen.
  • Fehlende Unterstützung durch Entscheidungsträgerinnen und -träger: Der Rückhalt in der kommunalen Politik ist entscheidend für das Gelingen von Vorhaben zur Bewegungsförderung. Lokale Politikerinnen und Politiker von einem Vorhaben zu überzeugen, kann eine große und zeitintensive Herausforderung sein.

Hinweis: Der Projektzeitraum fiel mit der COVID-19-Pandemie und deren Auswirkungen zusammen. Dies wurde von den Modellregionen als häufigster hinderlicher Faktor bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Bewegungsförderung benannt.

StadtRaumMonitor

Mit dem StadtRaumMonitor, einem Online-Tool der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), können Bürgerinnen und Bürger verschiedene Bereiche ihres Lebensumfelds bewerten. Somit wird auf einen Blick erkennbar, welche Stärken der bewertete Ort hat und wo Verbesserungsbedarf besteht.

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