AeviK — Aktiv, engagiert und vernetzt im Kiez (2016 - 2018)

Der Verein südost Europa Kultur in Berlin vereint psychosoziale Arbeit, kulturelle Aktivitäten und gesellschaftliches Engagement zu einem Gesamtkonzept mit dem Ziel der besseren Integration und Teilhabe von (traumatisierten) Flüchtlingen und Zuwandererinnen und Zuwanderern. Das 2016 gestartete Projekt „Aktiv, engagiert und vernetzt im Kiez“ (AeviK) hat zum Ziel, den Kontakt von älteren Migrantinnen und Migranten aus Südosteuropa zu einheimischen älteren Menschen zu fördern, deren bürgerschaftliches Engagement sichtbar zu machen, ihnen bessere Zugänge zu bezirklichen Angeboten zu schaffen und die Vernetzung der Akteurinnen und Akteure untereinander zu stärken.

Die Interviewfragen stellten wir Frau Rita Klages (südost Europa Kultur e.V.)

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1. Wie kam es zu der Idee Ihres Angebotes?

Der Verein südost Europa Kultur e. V. wurde bereits 1991 zur Förderung der Kulturbeziehungen zwischen Deutschland und Südosteuropa gegründet. Er ist in Berlin eine Anlaufstelle für Menschen mit Migrationshintergrund aus dem ehemaligen Jugoslawien sowie anderen Staaten Südosteuropas. Der über Jahre - und teilweise bis heute - ungeklärte Aufenthaltsstatus dieses Personenkreises sowie die Erlebnisse während des Krieges in der Heimat und auf der Flucht haben negative Auswirkungen auf ihre körperliche und seelische Gesundheit. Insbesondere die älter gewordenen Menschen unter ihnen sind oft mit einer Vielzahl von Problemen belastet: Traumatisierung, fehlende Schul- oder Berufsausbildung, Langzeitarbeitslosigkeit, Informationsdefizite und mangelnde Deutschkenntnisse. Der Verein südost Europa Kultur trägt dazu bei, diese Defizite auszugleichen und Hürden bei der Teilhabe an altersspezifischen Angeboten abzubauen.

2. Mit welchen spezifischen Angeboten fördern Sie die Teilhabe älterer Menschen mit Migrationshintergrund aus Südosteuropa?

Das Projekt AeviK, gefördert vom Bundesministerium des Inneren, möchte die Zielgruppe an altersspezifische Angebote des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg heranführen und ihnen ermöglichen, ehrenamtliches Engagement sowie neue Kontakte zu anderen älteren Menschen zu erschließen.

Als exemplarischer Ort dieses Engagements gilt der Interkulturelle Garten Rosenduft, in dem Freizeitangebote, Führungen und Weiterbildungen im Bereich Ökologie und Stadtnatur  stattfinden. Angebotene Workshops im Interkulturellen Garten Rosenduft sowie in Bezirkseinrichtungen vermitteln Wissen zu Fragen der Kräuterkunde, der Bienenzucht, zum Herstellen von Kräuterölen und -seifen sowie zu Kochtraditionen. Die am Projekt beteiligten Migrantinnen und Migranten bzw. Flüchtlinge bearbeiten individuelle und gemeinschaftliche Flächen des Gartens als Teil des Parks am Gleisdreieck. Sie stehen interessierten Personen im Rahmen von Gesprächen, Gartenführungen und öffentlichen Veranstaltungen zur Verfügung. Unsere Kulturarbeit umfasst Ausflüge in die Umgebung Berlins, Museumsbesuche und Aktivitäten, die Berlin und seine facettenreiche Geschichte und Gegenwart exemplarisch vermitteln. Bei all diesen Aktivitäten spielen der Austausch von Kompetenzen, kulturellen Erfahrungen und die Selbstorganisation eine wichtige Rolle.

Die älteren Einheimischen, die sich in unserem Verein mit den Flüchtlingen austauschen, haben teilweise selber als Kind (oder aber deren Eltern) Fluchterfahrungen durch den zweiten Weltkrieg erfahren müssen und besitzen daher eine besondere Solidarität mit den heutigen Flüchtlingen. Sie sollen verstärkt in das AeviK-Projekt einbezogen werden.Alle Aktivitäten haben zudem eine verbesserte Vernetzung der bezirklichen Angebote und zielgruppenrelevanten Akteure zum Ziel. Es werden Informationsveranstaltungen zu allen relevanten Fragen und Problemen älterer Migrantinnen und Migranten aus Südosteuropa bezüglich Altenhilfe, Beratungs- und Freizeitangeboten im Bezirk durchgeführt. Über die Dauer des Projektes hinaus werden muttersprachliche Informationen zur Verfügung gestellt.

3. Ein Schwerpunkt Ihrer Arbeit ist die Seniorenkulturarbeit. Inwieweit kann Kulturarbeit präventiv und gesundheitsfördernd wirken?

Ungeachtet ihrer traumatischen Erfahrungen verfügt unsere Zielgruppe der Menschen aus Südosteuropa über Ressourcen und Fähigkeiten, die sie gerne im Rahmen von bürgerschaftlichem Engagement einbringen. Kulturarbeit kann auf verschiedenen Ebenen präventiv und gesundheitsfördernd wirken. Sie verschafft vielfältige Möglichkeiten des Selbstausdrucks, regt an, die eigenen Horizonte zu erweitern und kann Menschen dazu bewegen - unabhängig von Herkunft und Alter - ein solidarisches Miteinander zu begründen.

Gerne gebe ich dazu zwei Beispiele: Nach dem Treffen mit einer tschetschenischen Frauengruppe im interkulturellen Garten Rosenduft statteten wir dieser Gruppe einen Gegenbesuch in Neuruppin ab. Wir haben während des Treffens über unsere Arbeit gesprochen, dann miteinander gegessen, getanzt und gesungen.  - Durch das Vorführen von Tänzen der Teilnehmerinnen werden die kulturellen Wurzeln sicht- und spürbar. Diese gemeinsamen Aktivitäten stärken die  Verbundenheit und wirken sich positiv auf das Wohlbefinden der Frauen aus.

Ein weiteres Beispiel: Im Rahmen von Begegnungswerkstätten traten Geflüchtete miteinander in den Dialog, z. B. zu ihren Fluchterfahrungen und Bewältigungsstrategien. So hat mich ein Austausch zwischen einem Mann aus dem Niger und einer Frau aus Bosnien und Herzegowina über ihre persönlichen Fluchterfahrungen bewegt. Beide hatten sichtliche Kriegsverletzungen und sind bei einer der Werkstätten miteinander ins Gespräch gekommen. Über den Austausch zu Fragen, wie: „Was hilft dir, um mit dem Erfahrenen umzugehen?“, gaben sie sich gegenseitig Mut und - wie sie selbst berichteten -   stärkte dieses Treffen ihre Lebensmoral. Es ist wichtig, den Menschen einen Raum zu geben, um über ihre traumatischen (Gewalt-)Erfahrungen zu sprechen, da sie unbearbeitet bis in die nächsten Generationen hinein wirken und belastend für Lebensqualität und Gesundheit dieser Menschen sind.

4. Was geben Sie denen mit auf den Weg, die ähnliches planen?

An vorderster Stelle stehen für mich Offenheit im Vorgehen, sich der Qualität der eigenen Arbeit zu vergewissern, sowie die Empfehlung, vorhandene Infrastrukturen, Netzwerke und Erfahrungen zu berücksichtigen, um gemeinsame Perspektiven ins Auge zu fassen und Synergien bilden zu können.

Wie unser Projektname bereits suggeriert („Vernetzt im Kiez“) möchten wir unterstreichen, dass bezirkliche Vernetzung für eine gesundheitsfördernde Lebenswelt unabdingbar ist. Mit dem AeviK-Projekt erschließen wir uns im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sukzessive neue Kooperationspartnerinnen und -partner in der Seniorenarbeit. Wir bemühen uns, im Rahmen von Informations- und Netzwerkveranstaltungen mit diesen Partnerinnen und Partnern in einen kulturübergreifenden Austausch zu treten. Zu nennen sind in unserem Fall beispielsweise die Expertinnen und Experten des DRK-Mobilitätsdienstes, die Kontaktstelle PflegeEngagement sowie Spezialisten, die in der Trauma-Bewältigungsarbeit versiert sind. Erst im Netzwerk ist es möglich, gemeinsame Anliegen zu benennen, Synergien auszuloten und die eigene Arbeit zu reflektieren.

Bei weiteren Fragen zum Angebot

Rita Klage
südost Europa Kultur e.V.
Großbeerenstr. 88
10963 Berlin-Kreuzberg
Tel.: 030/253 77 99 11
Mail:
Web: www.suedost-ev.de

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