AlltagsTrainingsProgramm (ATP)

Gudrun Peters (67 Jahre) und ihr Ehemann (71 Jahre) haben im Jahr 2016 gemeinsam für zehn wöchentliche Trainingseinheiten beim Sportverein TSV Bruckhausen in einem Hünxer Stadtteil in Nordrhein-Westfahlen am AlltagsTrainingsProgramm (ATP) teilgenommen. Das damalige Pilotprojekt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung trug zur Entwicklung des bundesweiten Bewegungsprogramms ATP bei. Ziel war es, „noch inaktiven“ Seniorinnen und Senioren ab dem 60. Lebensjahr zu mehr Aktivität im Alltag und somit zu einer nachhaltigen Bewegungssteigerung zu verhelfen.

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1. Erzählen Sie doch bitte einmal, wie Sie auf das Bewegungsangebot ATP aufmerksam geworden sind!

Wir waren von einem befreundeten Ehepaar angesprochen worden, dass in „ihrem“ Sportverein TV Bruckhausen ein Pilotprojekt im Rahmen des Programms „Älter werden in Balance“ durchgeführt werden solle. Es wurde von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Kooperation mit der Sporthochschule Köln initiiert. Gesucht wurden dafür Senioren und Seniorinnen über 60 Jahre, die in keinem Sportverein Mitglied sind. Für dieses AlltagsTrainingsProgramm bräuchte man keinerlei sportliche Ambitionen und alles würde sehr moderat ablaufen. Nach anfänglichem Zögern entschlossen wir uns, uns anzumelden.

2. Was hat Sie dazu bewegt, teilzunehmen?

Wenn man über 60 ist, merkt man, dass die Knochen und Gelenke steifer werden, und dass man einfach nicht mehr alles so „mit links“ machen kann wie mit 30 oder mit 40. Es fällt beispielsweise nicht mehr so leicht, Treppen zu steigen oder die schweren Taschen vom Einkauf heimzutragen.

Folglich haben wir uns zu einer Teilnahme entschlossen. Vor allem aber auch, weil uns durch die Infoschrift vermittelt worden war, dieses Bewegungsprogramm sei kein Leistungsprogramm, bei dem man für ein Sportabzeichen trainiert. Es bedürfe keiner sportlichen Vorkenntnisse und keinerlei sportlicher Ambitionen. Es hieß sogar, man könne in Alltagskleidung teilnehmen.

3. Berichten Sie bitte über Ihre Erfahrungen, die Sie dann vor Ort gemacht haben!

Schon der Einstieg war eine total herzliche Sache. Alle Teilnehmenden waren älter als 60 Jahre. Die Kursleitenden waren sympathisch und verständnisvoll. Sie haben uns gefordert, aber nicht überfordert. Es gab ja unter den Teilnehmenden auch einige weitaus ältere Teilnehmerinnen und Teilnehmer als uns. Deren Leistungsmöglichkeiten haben die Kursleitenden ganz genau beobachtet und dementsprechend bei verschiedenen Übungen gesagt: "Nur so viel, wie du kannst. Das machst du jetzt mal besser nicht mit.“ Solche Hinweise und Beobachtungen sind natürlich in diesem Rahmen schön und wichtig, da keiner das Gefühl haben muss, um jeden Preis an seine Grenzen gehen zu müssen.

Von Woche zu Woche haben wir gemerkt, dass wir beweglicher wurden und die Übungseinheiten uns guttaten.

Bereits durch das Anmeldeformular hatten sich die Initiatorinnen und Initiatoren eine gute Vorstellung davon gemacht, was der Teilnehmer oder die Teilnehmerin leisten kann. Bereits vor Kursbeginn wurde per Fragebogen abgefragt, wie viele Stunden tägliche bzw. wöchentliche Körperbelastung erbracht werden, spezifiziert nach Gartenarbeit, Hausarbeit etc. So lag der Kursleitung ein ungefähres Bild der einzelnen Leistungsprofile vor.

4. Wie sah das Trainingsprogramm ganz konkret aus?

Wir haben mit ganz praktischen Sachen begonnen. So zum Beispiel (unter vielen anderen) mit der Übung, wie man rückenschonend eine schwere Tasche anhebt, wie man sich bückt oder aus dem Liegen aufsteht, ohne die Wirbelsäule zu belasten. Ebenso, wie man sich reckt, z. B. um etwas in ein Regal oder höher liegendes Schrankfach einzuräumen oder daraus zu entnehmen. In jeder Übungsstunde kam eine weitere neue Übung hinzu, während Eingeübtes natürlich wiederholt wurde. Das waren alles Bewegungen, die im Alltag tagtäglich auftauchen und die man aus den Erfahrungen dieses Kurses auch heute viel bewusster ausführt.

Es wurden auch häufig Gemeinschaftsspiele zur Förderung der Konzentration und Koordination gemacht. Zum Beispiel haben wir zweifarbig nummerierte Karten mit verdeckter Zahlenseite auf dem Boden der Turnhalle verteilt. Es wurde eine Männer- und eine Frauenriege gebildet, und wir haben uns „wettkampfmäßig“ rückenschonend gebückt, die Karten umgedreht und dann die nummerierten Karten in der richtigen Zahlenfolge auf dem Boden aufgereiht. Die Gruppe, die zuerst fertig war, wurde beklatscht und bejubelt. Die Wiederholung ergab oft, dass dann die andere Riege den Sieg „einheimste“, es ging stets nicht um den Sieg, sondern um die richtige Technik beim Bücken, die Förderung der Konzentration und den Spaß beim gemeinschaftlichen Spiel. Bei Ballspielen in Kreisformation sowie Federballspielen jeweils zu zweit förderten wir zudem unser Gemeinschaftsgefühl.

Wir haben empfunden, dass man sich in kurzer Zeit sehr vertraut mit den Teilnehmenden in der Gruppe fühlte.

5. Die Übungen sind ja so konstruiert, dass sie Alltagssituationen nachstellen. Gibt es in Ihrem Alltag Momente, in denen Sie merken, dass die Übungen Ihnen geholfen haben?

Ja, wir konnten manche Anregung für unseren Alltag beziehungsweise zum Weitertrainieren im Alltag mitnehmen. So zum Beispiel – angeregt durch Balanceübungen im Kurs – auf einem Bein stehend die Zähne zu putzen. Gerade die Balance fällt älteren Menschen ja oftmals schwer.

Angeregt wurden wir, gelegentlich mal die Hand (Rechtshänder auf links und Linkshänder auf rechts) bei alltäglichen Dingen, wie zum Beispiel beim Haare kämmen oder Zähne putzen zu wechseln. Das sei „Gehirnjogging“, wurde uns vermittelt.

Wir bekamen den Ratschlag, uns nicht einseitig mit schweren Gegenständen zu belasten, sondern die Last auf beide Arme zu verteilen, um den Rücken zu schonen. Sodass wir beispielweise nicht eine schwere Tasche tragen, sondern das Gewicht auf zwei Beutel verteilen.

Solche und viele andere – an sich banalen – Tipps fallen einem immer wieder im Alltag ein, und wir handeln dadurch bewusster.

6. Würden Sie die Teilnahme an dem Programm weiterempfehlen? Für wen eignet sich das Angebot insbesondere?

Für alle, die Freude daran haben, regelmäßig etwas in einer Gemeinschaft für die Fitness im Alter zu tun – gemäß dem Motto: „Älter werden in Balance!“. Zwar nimmt man sich auch zu Hause manchmal vor, etwas Sportliches zu tun, aber gute Vorsätze fallen dem „inneren Schweinehund“ meist zum Opfer. In der Gemeinschaft fällt es leichter, bei „der Stange“ zu bleiben.

Der größere Teil der Teilnehmenden unseres Kurses wurde anschließend Mitglied im veranstaltenden Sportverein TV Bruckhausen, so auch wir. Damit wurde unsere ATP-Gruppe eine feste Einheit im Angebot des Sportvereins.

Man spürt das Gemeinschaftsgefühl unserer Gruppe daran: Wir haben eine gemeinschaftliche WhatsApp-Gruppe, gehen nach unserer wöchentlichen Turnstunde stets zusammen ins Vereinsheim, um in gemütlicher Runde das Beisammensein ausklingen zu lassen.

Der Kurs ist nicht etwas, was man wie eine Pflichtübung absolviert, sondern es ist einfach für alle eine allwöchentliche Freude (wie von den Teilnehmenden wiederholt gesagt wurde).

Mit dem ATP-Programm wird eine bestimmte Zielgruppe angesprochen, welche ansonsten eher selten angesprochen wird.

Sportvereine bieten oft ein breit gefächertes Programm, so auch für ältere Menschen, wie z. B. Stuhlgymnastik für Personen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind. Ich würde jedoch sagen, dass die Personen, die gerade in den Ruhestand gehen sowie Seniorinnen und Senioren, die körperlich noch recht fit sind, sich zu jung für solche Angebote fühlen. Gerade sie werden meines Erachtens durch das ATP-Programm ideal angesprochen.

Ich persönlich würde das Programm uneingeschränkt weiterempfehlen. Es steht und fällt natürlich auch mit der Kursleitung, den Teilnehmenden und den Rahmenbedingungen. Wenn die Chemie da auf Anhieb stimmt und man gerne hingeht, steigert das die Fitness und man bleibt auch dabei.

Grundsätzlich halte ich das ATP für eine gute Sache. Ich kann nur jedem raten, dieses Angebot im Rahmen des Programms „Älter werden in Balance“ einfach einmal auszuprobieren!

Gesundheitliche Chancengleichheit

Der Kooperationsverbund wurde 2003 von der BZgA initiiert. Sein zentrales Ziel ist die Stärkung und Verbreitung guter Praxis in Projekten und Maßnahmen der Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten.

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